Das Geheimnis der Bleder Cremeschnitte

blejska kremna rezina© Boris Pretnar

Die Cremeschnitten, die in Bled bereits seit Jahrzehnten bekannt sind, sind auch das Symbol von Bled.

Und was ist mit der Original Bleder Cremeschnitte, werden Sie sagen? Vater sagte immer, dass ein Nachtisch nicht genügt. Deshalb brechen Boris und ich ins Zentrum von Bled auf, wo uns im Kaffehaus Park Blaž Pretnar erwartet, der Assistent der Sava Hotels Bled. Das Hotel Park hat seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts seine Rolle als zentraler Anbieter im Bleder Tourismus beibehalten. Es zieht auch heute noch den Großteil der Touristen an, wenn schon nicht wegen der Unterbringung, dann um dieses köstliche Dessert zu probieren. Die Bleder Cremeschnitte wurde zum ersten Mal im Jahr 1953 von ihrem Erfinder Ištvan Lukačević, dem Hauskonditor im Hotel Park zubereitet. Der Hotel- und Kaffehausbesitzer traf die kluge Entscheidung, die Cremeschnitte in den Mittelpunkt seiner neuen, milde ausgedrückt, sehr erfolgreichen Marketingkampagne zu stellen. Die Cremeschnitte wurde nicht nur zum Symbol des Hotels und Bleds, sondern zu einer der bekanntesten Süßspeisen Mitteleuropas. Berechnungen zufolge wurden seit dem Jahr 1953 bis heute 15 Millionen Cremeschnitten verkauft, die tatsächliche Zahl liegt wahrscheinlich noch höher. Das Kaffeehaus Park verkauft durchschnittlich 650 Schnitten pro Tag, an einem heißen Sommertag steigt diese Zahl auch bis 2000. Jede Cremeschnitte ist ein vollständiger Würfel mit 7 cm Seitenlänge und besteht aus zwei Dritteln Vanillecreme und einem Drittel Schlagsahne sowie Blätterteigschichten am Boden und oben. Sie schmeckt göttlich und leicht, was jedoch nicht für ihren Brennwert gilt. Blaž scherzt, dass jede Cremeschnitte 214 Kilokalorien hat, aber wenn Sie deswegen ein schlechtes Gewissen haben, können Sie diese Kalorien mit einer Runde Laufen um den See verbrennen. Wie gut sich alles fügt – damit wir uns eine Cremeschnitte ohne schlechtes Gewissen leisten können.

Znamka Bled Noah Charney© Boris Pretnar

Die Slowenen, die diese Zeilen lesen, fragen sich sicher was an dem Gerücht dran ist, dass das Originalrezept mit den Jahren verändert wurde. Blaž versichert mir, dass das Rezept noch immer das gleiche ist und dass die Bleder Cremeschnitte noch immer so zubereitet wird, wie sie von Ištvan erdacht wurde. Es gibt keine geheimen Zutaten. Der Hauptunterschied zwischen der Original Bleder Cremeschnitte und jener, die von Ihrer Großmutter zubereitet wird oder die Sie im Geschäft kaufen, liegt teils im Verhältnis der Zutaten und teils in der Zubereitungsmethode, schließlich ist es aber auch die unglaubliche Frische der Cremeschnitte, die man Ihnen im Kaffeehaus Park serviert. Hier bekommt der Gast niemals eine Cremeschnitte, die älter ist als 16 Stunden. Das Kaffeehaus hat ein eigenes Team, das diese Spezialität jeden Tag zubereitet, von fünf Uhr morgens bis sieben Uhr abends. Das einzige Zugeständnis an die neue Zeit ist die Methode des Zerteilens der Cremeschnitten. Wegen der unteren und oberen Blätterteigschichten, die während des Schneidens nicht beschädigt werden sollen, ist das Schneiden der Cremeschnitten in gleichseitige Würfel eine schwierige Sache. Heute überlassen wir das einem Roboter, in der Vergangenheit haben das drei Angestellte erledigt. (Stellen Sie sich vor, wie sonderbar der Titel „Aufschneider“ in der Stellenanzeige für diesen Arbeitsplatz klingt!) Die Cremeschnitte ist immer noch so gut wie einst und das Kaffeehaus Park serviert sie mit einer der schönsten Aussichten weltweit.

Wie schon unzählige Male davor genieße ich auch diesmal die Original Bleder Cremeschnitte (auch wenn ich ein Ausländer bin, möchte ich, dass man mich als mustergültigen Einwohner Sloweniens betrachtet und ich dachte, dass ich das am besten dadurch erreiche, indem ich viele traditionelle Süßspeisen esse), und weil ich ein sehr neugieriger Genießer bin, interessiert mich auch, was das Kaffeehaus Park sonst noch zu bieten hat. Es stellt sich heraus, dass das ungeheuer viel ist. Nach dieser Erfahrung wird vielleicht die Bleder Cremeschnitte nicht mehr meine liebste Süßspeise sein. Sehr zufrieden genieße ich mein Eis, das hier sladogled (Eis mit Aussicht) heißt. Im Jahr 2017 wurde das Bleder Eis mit Aussicht zum besten Eis der Welt gekürt. Bei der Bewertung wirkten 4000 Menschen weltweit mit. Dieses Eis kann nicht mit dem üblichen Eis verglichen werden, das ich die Gelegenheit hatte zu versuchen, da es eher einer Eistorte oder einem Menü entspricht, nur dass es in einem Eisbecher serviert wird. Ich esse eine Quinoa-Eis mit Mascarpone mit Mandel-, Zimt- und Rosinenguss und darunter sorgt Schokoladeneis mit Kakao und einer Prise Salz, dem karamellisierte Nüsse eine unvergleichliche Note verleihen, für Überraschungen. Ich genieße jeden Löffel und staune über die durchdachte Raffinesse dieser süßen Sünde. Noch ein Grund mehr das Kaffeehaus Park zu besuchen.


Über den Autor

Znamka_Bled_Noah_Charney103© Boris Pretnar

Dr. Noah Charney ist ein amerikanischer Schriftsteller mit zahlreichen Bucherfolgen und Professor für Kunstgeschichte, der seit vielen Jahren in Slowenien lebt. Er ist in der amerikanischen Stadt New Haven aufgewachsen und hat sein Aufbaustudium am The Courtauld Institute und an den Universitäten in Cambridge und Ljubljana absolviert. Bisher hat er 13 Bücher geschrieben, darunter auch mehrere internationale Bucherfolge, wie z. B. „Slovenologija“ (das unter dem Titel (Slovenology - Living and Traveling in the World's Best Country ins Englische übersetzt wurde) mit Essays über seine Erlebnisse während seines Lebens in Slowenien, das seiner Meinung nach das „beste Land der Welt“ ist. In den ersten sechs Monaten wurden davon bereits mehr als 3.000 Exemplare verkauft. Sein Werk „Večni arhitekt (Der ewige Architekt), das im Englischen den Titel Eternal architect: The life and art of Jože Plečnik trägt: über das Leben und die Arbeit von Jože Plečnik, dem modernistischen Mystiker“ hat bei der Ausschreibung für den slowenischen Literaturpreis den 2. Platz erhalten und wurde auf dem Architekturbienale in Novi Sad mit dem Preis für das beste Buch ausgezeichnet. Charney ist zwar Experte für Kunstgeschichte und Kunstkriminalität, hat sich aber inzwischen auch zum Slowenien-Experten entwickelt, da er regelmäßig Artikel in bedeutenden Zeitungen wie z. B. The Guardian und Washington Post über Slowenien veröffentlicht. Wenn Sie mehr über seine Werke erfahren wollen, dann besuchen Sie seine Internetseite noahcharney.com oder folgen ihm in den sozialen Medien, wo er über seine Erlebnisse im „besten Land der Welt“ berichtet.


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